Schnee!

 

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Feine Flocken sind gefallen und haben den Löwenmäulchen eine weiße Mütze aufgesetzt. Vor 35 Jahren wären die Pflanztröge auf dem Traubenplätzle ganz unter Schneebergen verborgen gewesen. Denn über Nacht wurde damals der Stuttgarter Westen komplett eingeschneit. Hans Jürgen Gräser, dessen Familie bis 1970 den Lebensmittelladen am Eck betrieben hat, schrieb im Januar 1982 ein Gedicht darüber:

En Haufa Schnee en Stuagert
Sonntag, 3. Januar 1982

Herrgott, guck mol naus zom Fenster,
Wia des g’schneit hot über Nacht!
Plötzlich isch dia ganz’ Omgebung
Glitzerweiß, a Wenterpracht.

Uf dr Schwabstroß fährt koe Auto,
’s wär au schlecht bei soviel Schnee.
Weib, mach schnell on sag’s dr Jonga
Heut, do ziagt’s mi nuf uf d’Höh!

D’Haustür isch no net recht offa,
Do sitzt die Jong’ au scho em Schnee.
Mir Stuagerter sehn so viel selta,
Drom isch’s für ons au doppelt schee!

Am Stroßarand sen große Häufa,
On manchmol, wias grad nagweht’ hot,
Siehsch zwischa durch a Dach ’rausgucka
On merksch, daß do a Auto stoht.

D’Lenzhalde nuf, do wird’s beschwerlich,
D’r Pulverschnee goht über’s Knia,
On weil mir des halt au net g’wöhnt sen
Druckt mi mei Bandscheib’ wia no nia!

On wia mer ’nübergehn zom Gähkopf
Vorkommt ons oener mit de Schi,
I nemm d’r Foto, mach a Bildle,
En Stuagert sah i des no nie!

D’Straßabah, dia kosch vergessa,
Au wenn heut viele fahra wöll’t;
Des kommt seit morgens scho em Radio,
Dia hot heut ihr’n Betrieb eig’stellt.

Zom Nochmittag na, wird’s no lebhaft,
Jetzt kommet d’Leut en Schara raus,
Dia oene mit de Schi zom laufa,
Dia and’re grabet d’Auto aus!

Endlich isch bei ons mol Wenter,
Zom Glück aber zom Sonntich bloß;
Wär der Schnee wochadags na g’falla,
No wär’s a Chaos, riesagroß!

Am Montag d’ruf stoht’s en dr Zeitong
Als Schlag’zeil ufem ersta Blatt!
Mir wäret fascht em Schnee versoffa,
En Stuagert, en dr Landeshauptstadt!

Hans Jürgen Gräser, 26. Januar 1982